Assistenzhunde mal anders: die Diabetiker-, Epilepsie- und Schlaganfallwarnhunde

Heute geht es wieder einmal um Helden auf vier Pfoten. Tierische Lebensretter sichern das Leben ihrer Halter bei gesundheitlichen Einschränkungen wie Diabetes, Epilepsie und Schlaganfallneigung ab. Epilepsiewarnhunde können zum Beispiel drohende Anfälle so frühzeitig wahrnehmen, dass sich ihre Halter rechtzeitig an einen geschützten Ort begeben können. Die Anwesenheit eines solchen Hundes ermöglicht also ein freieres Leben. Lese in diesem Artikel, welche Besonderheiten es bei den Jobs als Diabetiker-, Epilepsie- und Schlaganfallwarnhund gibt.

Warnhunde – Lebensretter im Alltag

Unsere Hunde haben eine überaus feine Wahrnehmung. Bei manchen ist sie so deutlich ausgeprägt, dass sie kleinste körperliche Veränderungen ihres Menschen bemerken können, die einem gesundheitsbedrohenden Ereignis vorausgehen. Sie werden dann unruhig und wollen ihren Halter warnen. Dieser hat dann die Möglichkeit, rechtzeitig Gegenmaßnahmen zu ergreifen, indem er z. B. Medikamente einnimmt oder einen ruhigen Ort aufsucht. Atem und Schweiß ihrer Menschen können im Vorfeld besondere Hinweise auf drohende Veränderungen geben. Diese Warnhunde verlassen sich aber nicht allein auf ihren Geruchssinn, wie früher geglaubt wurde. Das Deutsche Assistenzhundezentrum fand 2014 heraus, dass sich bei Blutzuckerschwankungen, drohenden epileptischen Krampfanfällen, Migräne- und Asthmaanfällen die Sauerstoffsättigung im Blut verändert und die Hunde darauf reagieren. Das Signal für die Hunde scheint eine minimal veränderte Atemgeschwindigkeit der Menschen zu sein, die sie mit dem Gehör wahrnehmen. Für uns selbst ist sie nicht wahrnehmbar.

Unsere Hunde können manche Gesundheitsrisiken frühzeitig wahrnehmen
Unsere Hunde können manche Gesundheitsrisiken frühzeitig wahrnehmen.

Warnhunde bieten durch ihre Fähigkeit also eine erhöhte Sicherheit für ihre Menschen. Im Notfall kann das lebensrettend sein. Sie ermöglichen ihren Haltern dadurch auch ein freieres Leben, da diese nicht rund um die Uhr von der Aufsicht anderer Menschen abhängig sind. Das steigert die Lebensqualität der Betroffenen enorm. Es gibt verschiedene Arbeitsbereiche für solche Warnhunde. Neben den häufigsten Einsatzfeldern für Diabetiker, Epileptiker und Schlaganfallgefährdete gibt es z. B. auch Warnhunde für Asthmatiker, Menschen mit Herzproblemen, der Schlafkrankheit (=Narkolepsie) oder Migränepatienten.

Hier findest du den Übersichtsartikel zu Hunden mit Aufgaben sowie alle Infos zu Assistenzhunden,

Diabetikerwarnhund

Seit 2007 werden in Deutschland Diabetikerwarnhunde ausgebildet, das Deutsche Assistenzhundezentrum war dabei Vorreiter. Diese Hunde erkennen gefährliche Schwankungen des Blutzuckerspiegels beim Menschen und warnen frühzeitig vor einer Über- oder Unterzuckerung. So gerät ihr Mensch gar nicht erst in eine lebensbedrohliche Lage, wie einen Krampfanfall oder Koma. Mit der zuverlässigen Hilfe seines Hundes kann er so ein nahezu normales Leben führen. Dieser bringt seinem Menschen das Blutzuckermessgerät und im Falle einer Unterzuckerung auch Kohlenhydrate wie Traubenzucker, Saft, Cola. Auch nachts passt er auf den Zuckerhaushalt seines Menschen auf und weckt ihn oder Angehörige, falls notwendig. Er lernt außerdem, im Notfall Hilfe herbeizuholen, wie z. B. einen Notruf abzusetzen und Rettungskräften die Türe zu öffnen.

Epilepsiewarnhund

Bei diesen Warnhunden gibt es zwei Untergruppen. Das sind zum einen die Epilepsiewarnhunde und dann die Epilepsieanzeigehunde. Zweitere zeigen Anfälle nur in den Momenten an, in denen sie geschehen und können dann z. B. Angehörige herbeiholen. Epilepsiewarnhunde warnen vor bevorstehenden Anfällen und verhindern in solchen Momenten beispielsweise auch das Überqueren einer Straße oder Steigen von Treppen. Ihr Halter kann sich dann noch in eine einigermaßen sichere Position begeben, bevor ein Anfall beginnt. Währenddessen bleiben sie bei ihrem Menschen und schützen ihn. Manche räumen auch Gegenstände aus der Umgebung, die ein Verletzungsrisiko bedeuten würden. Ihr Notfallpäckchen enthält wichtige Hinweise für Passanten und Kontakte zu Angehörigen. Dadurch, dass sie mit ihrer Assistenzhundeweste eine „offizielle Position“ bekleiden, machen sie die Umgebung darauf aufmerksam, dass hier ein Mensch in Not ist. Es gibt nämlich Berichte von Epileptikern ohne Hund, dass sie übersehen oder gar verächtlich behandelt werden und Sprüche zu hören bekommen wie: „Weniger Drogen nehmen, dann passiert sowas auch nicht!“. Auch das ist also eine Funktion eines Assistenzhundes – der Schutz vor Stigmata.

Zwei Spaniels mit Dienstkleidung
Die „Dienstkleidung“ des Warnhundes kann anderen Menschen ein wichtiges Signal geben.

Außerdem scheint die Nähe des Tieres seinem Menschen während eines Anfalls einfach gut zu tun und diesen sogar abzumildern. Manche Hunde berühren instinktiv ihren Halter und scheinen dadurch zu einer Beruhigung beizutragen. Das zeigt der Bericht einer Familie, deren kleiner Sohn von seinem Warnhund während eines Anfalls an der Stelle zwischen Oberlippe und Nase geleckt wurde. Das mag erst einmal unhygienisch klingen, aber es schwächte nach Beobachtungen der Familie die Anfälle deutlich ab. Dies war ein rein instinktives Verhalten, es wurde dem Hund nicht beigebracht.

Schlaganfallwarnhund

Menschen, die bereits einen Schlaganfall oder eine vorübergehende Mangeldurchblutung hatten, kann mit einem Schlaganfallwarnhund geholfen werden. Ebenso, wenn aufgrund von bekannten Risikofaktoren eine erhöhte Gefahr dafür besteht.

Ein Schlaganfallwarnhund bemerkt einen Anfall kurz bevor er geschieht und kündigt ihn seinem Menschen an. Dieser kann dann medizinische Hilfe herbeirufen, die Türe für Rettungskräfte öffnen und sich in eine sichere Position begeben. Wenn er nicht mehr in der Lage ist, Hilfe herbeizurufen, kann dies auch der Hund übernehmen, indem er einen Notruf absetzt und die Wohnungstüre öffnet. So kann der Patient möglichst rasch medizinisch versorgt werden. Das ist bei Schlaganfällen ganz besonders wichtig, um mögliche Folgeschäden zu verringern.

Wie machen die das bloß?

„Ein Hund muss als Diabetikerwarnhund geboren werden, man kann ihn nicht zum Diabetikerwarnhund machen!“ (Quelle: Deutsches Assistenzhundezentrum)

Alle diese Warnhunde haben die Fähigkeit, frühzeitig vor einem drohenden gesundheitsbeeinträchtigenden Ereignis zu warnen. Diese Sensibilität und der Wille zur praktischen Umsetzung kann nicht antrainiert werden. Dies müssen die Hunde mitbringen, es ist angeboren. Und es ist selten. Nur einer von 1000 Hunden eignet sich für eine Ausbildung. Bis für einen Interessenten dieser eine passende Begleiter gefunden ist, müssen oft unzählige Würfe Welpen begutachtet und getestet werden.

Langhaarcollie vor einem Menschen im Rollstuhl
Warnhunde zeigen ihrem Menschen auf unterschiedliche Weise die Gefahr an.

Die Art, wie ein Warnhund vor der drohenden Gefahr warnt, ist individuell unterschiedlich, aber von Geburt an angelegt. Manche stupsen mit der Nase, andere legen die Pfote auf, einige kommen heran und lecken ihren Menschen. Dieses angeborene Anzeigeverhalten wird später im Training bestätigt und verfestigt, damit sich keine Fehler einschleichen. Besonders wichtig ist hier das Zusammenspiel aus vorhandener Fähigkeit des Hundes, der sicheren Bindung an seinen Menschen und der bestätigenden Reaktion seines Menschen auf sein Warnverhalten hin. Hunde, die richtig fit darin sind, zeigen beispielsweise 90 – 100 % der gefährlichen Blutzuckerschwankungen an. Und das sogar etliche Minuten früher, als ein dauerhaft messender technischer Blutzuckersensor Signal geben würde.

Bemerkenswert: Welpen, die diese Fähigkeit haben, fangen bereits im Alter von drei Wochen an – wenn sie gerade laufen können – drohende Über- oder Unterzuckerungen einige Minuten im Vorfeld anzuzeigen.

„Anders als die meisten Arbeitshunde, die auf Befehlsempfang trainiert sind, braucht ein medizinischer Begleithund ein ausgesprochen starkes Selbstbewusstsein. Er soll sich trauen, Prioritäten zu setzen – im Notfall muss er das Wohl des Patienten höher werten als einen Befehl.“ (Quelle: Beobachter Gesundheit)

Ausbildung für Lebensretter

Ein zukünftiger medizinischer Warnhund muss etwa 18-24 Monate die Schulbank drücken, bevor er fit für seinen lebensrettenden Job ist. Da das individuelle Zusammenspiel von Hund und Mensch hier besonders wichtig ist, werden die Hunde meist im Haushalt des Betroffenen zusammen mit einem spezialisierten Trainer ausgebildet. Je früher der Hund mit seinem Menschen zusammenkommt, desto besser. In der Regel sollte er mit acht Wochen bei ihm einziehen.

Du musst dir keine Gedanken machen, wenn deine Kinder mit deinem Golden Retriever spazieren gehen.
Die Bindung zwischen Warnhund und Halter ist besonders wichtig und sollte so früh wie möglich beginnen.

Welche Voraussetzungen gibt es? Was kostet das?

Wer einen Diabetikerwarnhund haben möchte, hat die sogenannte Remissionsphase des Typ 1 Diabetes bereits hinter sich gelassen. Das bedeutet, dass die Bauchspeicheldrüse kein eigenes Insulin mehr produziert. Die ständig schwankenden Zuckerwerte könnten sonst die Wahrnehmung des Hundes verwirren. Dann würde ein Einsatz keinen Sinn machen. Wer selbst Probleme damit hat, drohende starke Blutzuckerschwankungen zu bemerken und sich dadurch in seiner Sicherheit und Lebensgestaltung eingeschränkt fühlt, wäre ein geeigneter Kandidat für einen Diabetikerwarnhund. Vorausgesetzt, er hat den Wunsch, künftig 24 Stunden am Tag mit einem Hund zusammen zu sein.

Für Epilepsie- und Schlaganfallwarnhunde gilt das Gleiche. Die Interessenten für einen medizinischen Warnhund fühlen sich durch ihre gesundheitliche Beeinträchtigung in ihrem Alltag stark eingeschränkt. Sie erhoffen sich durch den Einsatz eines Warnhundes Verbesserungen ihrer Situation und sind bereit, 24 Stunden am Tag mit ihm zusammen zu sein. Sie müssen in der Lage sein, ihren Hund zu trainieren und ihm ein artgerechtes Leben zu bieten.

Die Kosten könnten bei Fremdausbildung in einer Ausbildungsstätte an die 30.000 EUR erreichen, die nicht von Krankenkassen übernommen werden. Betroffene können versuchen, Spenden zu sammeln und sich an verschiedene Stiftungen wenden, die sich im Internet heraussuchen lassen. Allerdings wird die Selbstausbildung durch den Halter in Zusammenarbeit mit einem qualifizierten Hundetrainer ohnehin vorgezogen. Denn Hund und Halter müssen sich ganz genau kennen und sich zu 1000 % aufeinander verlassen können, wenn der Lebensretter-Job funktionieren soll. Es gibt Zahlen, die belegen, dass 50 % der fremdausgebildeten Hunde nicht so zuverlässig warnen, wie es sein müsste. Hier scheint einfach die ganz frühe Bindung zwischen Hund und Mensch zu fehlen. Es geht gerade bei medizinischen Warnhunden eben nicht um technische Hilfsmittel, sondern um das gegenseitige In- und Auswendigkennen der Teampartner. Für eine zweijährige Ausbildung in Trainingsstunden können trotzdem leicht 10.000 EUR anfallen.

Ein Schäferhund braucht Bewegung und eine Aufgabe, auch wenn es nur Pfötchen geben ist.
Die Selbstausbildung in Zusammenarbeit mit einem kompetenten Trainer ist aus mehreren Gründen positiv.

Was ist noch wichtig?

Es gibt drei weitere Punkte, die wichtig sind, wenn ein medizinischer Warnhund seinen Job gut ausführen soll. Diese betreffen das Familienleben mit Hund und die artgerechte Haltung. Wenn der Halter diese beiden Kriterien nicht erfüllen kann, wird es mit dem Einsatz eines Warnhundes schwierig.

Der Warnhund als Familienhund

Natürlich kann ein medizinischer Warnhund in einer Familie leben und alle Familienmitglieder können davon profitieren. Aber alle sollten dennoch beachten, dass die Bindung zwischen dem Warnhund und dem Menschen, dem er helfen soll, einzigartig und besonders wichtig ist. Sie kann sogar lebenswichtig sein. Doch dafür muss der Hund seinen Menschen ganz genau kennen und darf nicht abgelenkt sein. Die anderen Familienmitglieder sollten sich also im Kontakt mit dem Hund immer etwas zurückhalten. Sein Mensch muss für ihn Hauptansprechpartner sein und derjenige, auf den er stets fokussiert ist. Anders kann er seine Warnfunktion nicht zuverlässig ausüben.

Manchmal wird deshalb auch gefordert, dass der Warnhund der einzige Hund der Familie ist, um nicht von Artgenossen abgelenkt werden zu können. Andere Tierarten müssen nicht unbedingt ausgeschlossen werden.

Darf ein Warnhund auch mal einfach Hund sein?

Ja, unbedingt, das ist ganz wichtig für einen medizinischen Warnhund. Jeder Hund muss täglich seinen natürlichen Bedürfnissen nachgehen können. Ausgelassen rennen und toben, Kontakt mit anderen Hunden und spielen gehören einfach zu einem Hundeleben dazu. Ansonsten ist die Gefahr groß, dass er bei seinem 24/7-Job ausbrennt. Denn sogar nachts sind diese Hunde ja mit einem Teil ihrer Aufmerksamkeit bei ihren Menschen – das ist anstrengend. Der Halter muss deshalb stets darauf achten, dass seinem Hund regelmäßige unbelastete Zeiten und Aktivitäten zur Verfügung stehen.

Die Versorgung des Hundes im Notfall

Wenn ein Notfall eintreten sollte, also beispielsweise ein Krankenhausaufenthalt oder schlimmstenfalls der Tod des Hundehalters, so sollte für den Hund gesorgt sein. Das gilt natürlich im Prinzip für alle Tierhalter, aber wenn ein Hundehalter mit lebensgefährlichen Gesundheitsrisiken leben muss, vielleicht noch einmal ganz besonders. Es liegt eben auch eine spezielle Verantwortung für „den besten Freund des Menschen“ darin, wenn er für persönliche Zwecke eingesetzt wird.

Terrier sind ursprünglich Jagdhunde und brauchen als solche viel Bewegung und eine Aufgabe.
Auszeiten und dienstfrei sind ganz wichtig für ein glückliches Hundeleben!

Fazit

Ist es nicht unglaublich, was unsere vierbeinigen Lieblinge alles leisten können? Ihre feine Wahrnehmung toppt sogar die Technik, wenn die Bindung an ihren Menschen stimmt. Die medizinischen Warnhunde sind beste Freunde, tägliche Begleiter und Lebensretter. Dennoch – auch diese Spezialisten unter den Assistenzhunden brauchen einen Ausgleich für ein artgerechtes Hundeleben. Das sind wir ihnen auch einfach schuldig, wenn wir ihre Dienste so intensiv in Anspruch nehmen.

 

Du kannst etwas vom Alltag mit einem medizinischen Warnhund erzählen?

Dann lass uns gerne daran teilhaben.

Unsere Leser und wir freuen uns immer sehr über Kommentare, die veranschaulichen, über was wir hier so schreiben.

Bild:

(c) willeecole - depositphotos.com

Schreibe einen Kommentar