Bestimmt hast du schon einmal einen arbeitenden Blindenhund, eigentlich: Blindenführhund, gesehen. Mit ihrer Arbeitsweste und dem weißen Haltegriff am Geschirr sind sie längst kein ungewöhnliches Bild mehr und erledigen einen wichtigen Job. Viel weniger bekannt sind andere Kollegen aus der Gruppe der Assistenzhunde, wie z. B. Signalhunde, Epilepsiewarnhunde oder PTBS-Assistenzhunde. Der Begriff „Assistenzhunde“ spricht für sich – diese Hunde assistieren Menschen bei der Bewältigung ihres Alltags. Wie das aussehen kann und in welchen Bereichen das möglich ist, erfährst du in diesem Artikel.
Assistenzhunde – Helfer im Alltag
Hunde als Helfer des Menschen – sie übernehmen vielfältige Aufgaben und dies teilweise schon aus langer Tradition. Mehr dazu kannst du in unserem Übersichtsartikel „Hunde mit Aufgaben“ lesen.
Assistenzhunde sind dabei – anders als z. B. Jagd- oder Wachhunde – eine relativ moderne Erscheinungsform der vierbeinigen Helfer. Sie kommen zum Einsatz, um den Alltag von Menschen mit einer körperlichen oder seelischen Beeinträchtigung zu erleichtern. Ein ausgebildeter Assistenzhund ersetzt dann einen Teil menschlicher Fertigkeiten oder bietet Schutz und emotionale Stabilität.
Ein Assistenzhund wird immer für eine bestimmte Aufgabe ausgebildet. Er kann nur dann eine wirklich gute Hilfe sein, wenn er sich auf die Erfüllung der Bedürfnisse seines Halters spezialisiert hat. Diese können ja bei jedem Menschen total unterschiedlich aussehen. Er lebt nach – manchmal auch schon während – der Ausbildung mit seinem Menschen zusammen und lernt, genau die Aufgaben zu erledigen, die sein Halter nicht selbst ausführen kann. Diese übernimmt er je nach Bedarf und Möglichkeiten seines Besitzers teilweise selbstständig (bspw. Bescheid geben, wenn es an der Türe läutet oder der Rauchmelder auslöst) oder auf Signal (bspw. „Such Ampel!“, „Drück Schalter!“).
Das unterscheidet Assistenzhunde klar von Therapiehunden, mit denen sie manchmal verwechselt werden. Therapiehunde werden dazu ausgebildet, zusammen mit ihrem Halter mit Einzelpersonen oder Personengruppen zu arbeiten. Hierbei geht es häufig um soziales Miteinander, Mobilisierung und Spaß. Natürlich müssen auch sie geduldig und menschenzugewandt sein, doch die Ausbildung und Aufgaben eines Assistenzhundes sind viel komplexer und spezialisierter.

All diese Aufgabenbereiche sind möglich
Ein Assistenzhund ist ein Spezialist in einem der folgenden Aufgabenfelder:
- Diabetikerwarnhunde
- Epilepsiewarnhunde
- Asthmawarnhunde
- Migränewarnhunde
- Schlaganfallwarnhunde
- Blindenführhunde
- Signalhunde für Gehörlose
- LPF-Assistenzhunde (LPF = Lebenspraktische Fähigkeiten)
- Mobilitätsassistenzhunde
- PTBS-Assistenzhunde (PTBS = Posttraumatische Belastungsstörung)
- FAS-Assistenzhunde (FAS = Fetales Alkoholsyndrom)
- Autismushunde
- Demenz-Assistenzhunde
Manchmal überschneiden sich die Aufgabengebiete auch ein wenig. Das Gute an der engen Verbindung des Mensch-Hund-Teams ist ja, dass die Zusammenarbeit ganz individuell an die Bedürfnisse angepasst werden kann.
Warnhunde zeigen ein drohendes gesundheitliches Ereignis ihres Menschen an, so dass dieser sofort Gegenmaßnahmen ergreifen kann. Sie registrieren zum Beispiel Über- und Unterzuckerung oder eine geringe Sauerstoffsättigung des Blutes und warnen ihren Halter aktiv von sich aus davor. Sie können auch Traubenzucker oder Medikamente herbeibringen oder direkt Hilfe holen, indem sie ein Notfalltelefon betätigen und so einen Rettungswagen verständigen.
Blindenführhunde und Signalhunde ersetzen sozusagen die beeinträchtigten Sinne ihres Halters und geben Hilfestellung, wann immer der Mensch alleine nicht zurechtkäme. Das kann so etwas Komplexes wie das Zurechtfinden in der Außenwelt sein. Es kann sich aber auch um Einzelaufgaben wie das Anzeigen eines wichtigen Geräusches handeln.
Es gibt Menschen, die hauptsächlich in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt sind und beispielsweise Probleme beim Gehen haben. Der Mobilitätsassistenzhund bietet in so einem Fall Sicherheit und wenn nötig Stütze. Bei schweren körperlichen Behinderungen wird dagegen vielleicht Hilfe beim An- und Ausziehen benötigt, beim Aufheben oder Herbeibringen von Gegenständen, beim Öffnen von Schubladen und Türen, beim Betätigen von Schaltern. All das können LPF-Assistenzhunde erlernen und ausführen.

Die Assistenzhunde für seelisch erkrankte Menschen schenken Stabilität und emotionalen Halt im Alltag. Sie verbessern allein durch ihre Anwesenheit die Atmosphäre und finden durch ihr sensibles, aber klares Wesen oft dort Zugang zu Menschen, wo andere nicht durchdringen würden. So tun Hunde in Familien mit autistischen Kindern oder Kindern mit dem fetalen Alkoholsyndrom sowohl den betroffenen Kindern als auch ihren Bezugspersonen gut. Ganz ähnlich wie die Demenz-Assistenzhunde. Auch Menschen mit schweren, chronischen Traumata können durch das enge Zusammensein mit einem Hund enorm profitieren. Das Leben mit einem Tier, insbesondere einem Hund, erfordert einen strukturierten Tagesablauf. Genau dies kann eine Hilfe für manche Menschen darstellen. Bewegung an der frischen Luft, Spiel und Spaß mit dem Tier sowie die schützende Rolle, die ein Hund einnehmen kann, führen ein Stück weit zurück ins normale Leben.
Du siehst also, es gibt viel mehr Jobs in diesem Bereich als der des bekannten Blindenführhundes.
Assistenzhunde tragen Berufskleidung
Assistenzhunde im Dienst tragen eine Art Weste, die sie als Behindertenbegleithund mit Job auszeichnet. Trägt ein Hund diese Weste, so weiß er, dass er arbeiten muss. Das wurde ihm in der Ausbildung beigebracht. Er muss aufmerksam sein und darf sich nicht ablenken lassen, weder von Menschen, Umwelteinflüssen oder anderen Hunden.
Übrigens: Aus diesem Grunde werden unsere Helfer auf vier Pfoten normalerweise frühzeitig kastriert – die Hormonwallungen beim Duft einer adretten Hundelady könnten sonst zu ablenkend wirken, ebenso der Zyklus, den eine Hündin natürlicherweise durchläuft. Denn wer verliebt ist, mag nicht arbeiten!
Wenn du einem Hund in Arbeitskleidung begegnest, darfst du ihn auf keinen Fall ansprechen, ablenken oder gar berühren. Solche Störungen könnten im Ernstfall lebensbedrohlich für seinen Menschen werden. Wenn du Kontakt zu einem Mensch-Hund-Team aufnehmen möchtest, dann sprich den Halter an. Dieser kann dir sicherlich erklären, wie du dich am besten verhältst und warum. So können interessante Gespräche entstehen, denn nicht zuletzt haben Tiere ja auch eine verbindende Wirkung, von der alle profitieren.

Die Verantwortung des Menschen für seinen Helfer
Klar, dass auch ein verantwortungsvoller Assistenzhund seine Erholungszeiten benötigt und nicht rund um die Uhr im Einsatz ist. Insbesondere Blindenführhunde müssen sich von den anstrengenden Einsätzen in der Außenwelt zuhause wieder ausruhen dürfen. Dementsprechend sollte der Tagesablauf geplant werden. Ausgelassene Freilauf-, Schnüffel- und Spielzeiten sollten in ihren Tagesablauf integriert sein. Eben alles, was ein ganz normaler Hund auch benötigt. Dafür braucht es dann manchmal eine weitere Person, die für diese artgerechte Versorgung des Hundes zuständig ist.
Eine besondere Rolle kommt allerdings den Warnhunden zu. Diese sind im Grunde als ständige Begleiter im 24-Stunden-Einsatz und checken mit ihren feinen Sinnen ihre Menschen dauerhaft nach Veränderungen ab, die eine Unterzuckerung, einen drohenden Krampf- oder Asthmaanfall anzeigen könnten. Die Aufmerksamkeit auf solche minimalsten körperlichen Anzeichen plus die Motivation, ohne Aufforderung davor warnen zu wollen, ist solchen Hunden angeboren und kann nicht erlernt werden. Nur ganz wenige Hunde eignen sich deshalb für diese Jobs.
Etwa im Alter von zehn Jahren gehen die meisten Assistenzhunde in Rente, denn ein Leben als Helfer ist anstrengend. Manche Halter nehmen dann einen jungen Hund als neuen Helfer dazu und der alte darf fortan einfach Hund sein. Je nach persönlichen Möglichkeiten vermitteln die Vereine, von denen Assistenzhunde teilweise stammen, die Rentner anschließend aber auch auf Gnadenbrotstellen.
Der Assistenzhund hat rechtlich eine Sonderrolle
Rechtlich gilt der Assistenzhund als Hilfsmittel, welches sein Halter benötigt, um am Alltag teilzuhaben. Daher sollten diese Hunde theoretisch in alle Geschäfte und Einrichtungen des öffentlichen Lebens mit hineingenommen werden dürfen, damit ihre Halter nicht benachteiligt werden. In der Praxis sieht das aber häufig noch ganz anders aus. Unwissenheit oder die Sorge um Hygiene – längst nicht überall sind Assistenzhunde gern gesehene und selbstverständliche Gäste. In Deutschland fehlen zu diesem Thema einheitliche gesetzliche Regelungen. Viele Nachbarländer, z. B. Österreich, sind da schon viel weiter. Daher haben sich in Deutschland einige Vereine und Initiativen gebildet, wie z. B. die „Pfotenpiloten“. Sie betonen die wichtige Rolle des Assistenzhundes für beeinträchtigte Menschen und setzen sich dafür ein, dass diese Hunde ihre Menschen zukünftig überallhin begleiten dürfen.

Immerhin befreien manche Gemeinden Assistenzhunde von der Hundesteuer und befördern sie kostenlos in öffentlichen Verkehrsmitteln. Assistenzhunde sind von der Anleinpflicht befreit und dürfen z. B. mit Naturschutzgebieten oder Stränden Orte betreten, an denen sonst keine Hunde zugelassen sind. Andernfalls wären ihre Halter ja nicht in der Lage, diese Orte zu besuchen. Dies widerspräche aber dem Gleichberechtigungsgrundsatz, der in Deutschland gesetzlich verankert ist.
Wie wird aus einem Hund ein Assistenzhund?
Ob ein Hund ein guter Assistenzhund werden kann, entscheidet sich schon im frühen Welpenalter. Vielversprechende Kandidaten wachsen in den ersten 8-12 Wochen gut sozialisiert heran und machen schon jede Menge positive Erfahrungen mit Menschen und Umwelteinflüssen.
Es gibt verschiedene Wege, Assistenzhundprofi zu werden. Manche Welpen kommen direkt in ihre zukünftige Familie und werden dort mit Hilfe von externen Trainern ausgebildet. Andere Hunde durchlaufen eine Art Grundausbildung (meist ca. 1 Jahr) in einem Ausbildungszentrum oder bei Patenfamilien/-trainern. Anschließend ziehen sie in ihre neue Familie und werden dort ein weiteres Jahr lang auf ihre Aufgaben spezialisiert. Es gibt aber auch die komplette Fremdausbildung, bei der ein Hund von Trainern auf eine bestimmte Aufgabe hin ausgebildet und nach erfolgter Ausbildung verkauft wird.
Eine einheitliche Ausbildung und Abschlussprüfung für Assistenzhunde gibt es bisher in Deutschland, anders als z. B. in Österreich oder England, noch nicht.
Welche Hunde eignen sich für diesen Job?
Das kommt sehr auf die Aufgabe und den Halter an. Grundsätzlich müssen Hunde für einen so verantwortungsvollen Job ein extrem geringes Aggressionspotential sowie eine große Zugewandtheit und Offenheit gegenüber Menschen haben. Die Bereitschaft, mit dem Menschen zusammenzuarbeiten und ein gutes Konzentrationsvermögen sind wesentlich. Sie sollten selbstbewusst sein und keinesfalls ängstlich oder schreckhaft. Es gibt Jobs, bei denen ein ruhiges, ausgeglichenes Gemüt sehr von Vorteil ist (z. B. Blindenführhund). Es gibt aber auch Bereiche, bei denen darf es etwas mehr „Schmackes“ im Temperament sein (bspw. PTBS-Assistenzhunde, die auch motivieren sollen). Wenn die Bedürfnisse des zukünftigen Halters möglichst klar sind, ist es immer einfacher, einen geeigneten Hund zu finden.

Es kommen ganz verschiedene Rassen oder auch Mischlinge zum Einsatz. Beliebt sind Retrieverrassen. Dabei spielt ihre weite Verbreitung, ihre Größe, ihr ausgeglichenes Wesen und ihre „Führigkeit“ eine Rolle. Und noch eine weitere Eigenschaft ist bei ihnen von Vorteil: „das weiche Maul“. Damit wird die Fähigkeit bezeichnet, etwas im Maul aufzunehmen, ohne es zu beschädigen. Dies war im Einsatz als ehemalige Jagdhunde wichtig, um die Jagdbeute beim Heranbringen nicht zu zerbeißen. In der Assistenz von körperbehinderten Menschen ist es ebenfalls praktisch, weil heruntergefallene Gegenstände sehr vorsichtig aufgehoben und herangebracht werden können, ohne dass sie kaputtgehen.
Für Kinder werden inzwischen auch Kleinhunderassen eingesetzt und es gibt sicherlich ebenfalls Erwachsene, bei denen diese hervorragend zu den Erfordernissen passen. Soll ein Assistenzhund jedoch auch körperliche Arbeit leisten, wie Blindenführ- oder Mobilitätshunde, muss er dazu eine bestimmte Größe haben. Ein winziger Chihuahua wird nicht in der Lage sein, seinen Menschen zu stützen, wenn diesem schwindelig wird oder ihn bei Gefahr von der Straße wegzudrängen. Meist werden für solche Aufgaben daher Hunde mittlerer Größe ausgewählt.
Was kostet so ein tierischer Helfer und wer zahlt das?
Die Kosten für einen gründlich ausgebildeten Assistenzhund können sich leicht auf 15.000 – 30.000 EUR belaufen. Es kommt auf die Komplexität der Aufgabe an und darauf, ob der Hund komplett fremdausgebildet oder mit Hilfe von Trainern selbst ausgebildet wird.
Bislang muss ein Mensch, der einen Assistenzhund möchte, selbst tief in die Tasche greifen. Außer für Blindenführhunde übernehmen die Krankenkassen in der Regel die Kosten nicht. Mit etwas Glück beteiligen sich spezielle Stiftungen oder Vereine daran, wie z. B. Assistenzhunde Deutschland e. V. Ein bekannter Verein in Deutschland, Vita Assistenzhunde e.V., hat gerade zwanzigjähriges Jubiläum gefeiert. Bei Vita werden passende Hunde ausgewählt und ausgebildet, harmonische Mensch/Hund-Teams gebildet und Spenden gesammelt. Vita besitzt internationale Zertifizierungen für höchste Qualitätsstandards und war europaweit Vorreiter bei dem Ziel, harmonische Teams aus Hunden und Kindern zusammenzufügen.
Fazit
Leider ist das Zusammenleben mit einem Assistenzhund in Deutschland noch eher Luxus als die Regel. Dabei leisten die vierbeinigen Helfer so eine wertvolle Arbeit und ermöglichen ihren Haltern häufig erst die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben oder erleichtern diese zumindest.
Hast du schon einmal einen Assistenzhund im Einsatz gesehen?
Gibt es etwas, das dich dabei besonders beeindruckt hat?
Wir freuen uns, wenn du uns und unseren Lesern davon erzählst.