Das ist gruselig! Meideverhalten beim Hund erkennen und verstehen

Mit einem Hund zusammenzuleben, bedeutet auch, sich mit seiner Kommunikation zu beschäftigen. Schließlich kann er dir nicht in Worten mitteilen, wie er sich fühlt oder was er möchte, sondern nur über seine Körpersprache und/oder das Bellen. Du musst einschätzen können, ob es ihm gut geht oder er Schmerzen hat, ob er aggressiv gestimmt oder ob er Angst hat. Nur so kannst du ihm helfen, gut durch den menschlichen Alltag zu kommen. Dazu gehört es auch zu wissen, was Meideverhalten ist und in welchen Situationen ein Hund dieses zeigt. Außerdem solltest du wissen, woran du es erkennst und wie du damit umgehen solltest.

Was wir unter Meideverhalten beim Hund verstehen

Obwohl das Wort Meideverhalten im Zusammenhang mit der Hundeerziehung oft benutzt wird, gibt es dazu keine allgemeingültige Definition. Es ist ein Begriff, der sich etabliert hat und den ich dir nun genauer erklären möchte.

Meideverhalten steht im Gegensatz zu dem sogenannten Wehrverhalten, bei dem ein Hund droht, fixiert oder zubeißt. Wehrverhalten wird durch eine vom Hund empfundene Bedrohung ausgelöst.

Wütender Hund auf einer Wiese mit gefletschten Zähnen
Dieser Hund zeigt Drohverhalten

Auch Meideverhalten wird durch etwas hervorgerufen, das der Hund als bedrohlich bzw. unangenehm empfindet und dem er entgehen – es also vermeiden – möchte. In diesem Fall jedoch nicht, indem er angreift oder droht, sondern indem er flieht, Schutz sucht oder sich verkriecht.

Warum zeigt dein Hund dieses Verhalten?

Sowohl durch das Wehr- als auch durch das Meideverhalten möchte der Hund dafür sorgen, körperlich unversehrt zu bleiben.

Genau wie wir Menschen sind auch unsere Vierbeiner darauf bedacht, sich wohl- und sicher zu fühlen. Sie vermeiden das, was für sie unangenehm ist. Dazu zählt alles, was ihnen Schmerzen verursacht oder Angst macht, von Geräuschen über Gerüche bis hin zu Berührungen. Was genau davon bei einem Hund Meideverhalten auslöst, ist individuell sehr unterschiedlich und hängt mit der Persönlichkeit des Vierbeiners, aber auch seinen Erfahrungen zusammen. Es kann zum Beispiel sein, dass er sich einmal ganz stark durch ein Geräusch erschreckt hat und dies mit dem Ort verknüpft hat, an dem er sich gerade aufgehalten hat. Nun möchte er sich diesem seitdem nicht mehr nähern.

Oder er war beim Tierarzt und dieser hat ihm bei der Untersuchung wehgetan. Seitdem will dein Hund sich nicht mehr von ihm anfassen lassen.

Ein Tierarzt untersucht die Augen eines Dackels
Ein Untersuchung beim Tierarzt kann für den Hund bedrohlich wirken

Die Auslöser für Meideverhalten sind bei jedem Hund andere und auch die Reizschwelle unterscheidet sich. Was bei dem einen dafür sorgt, dass er weglaufen möchte, mag den anderen vielleicht gar nicht interessieren. Bei uns Menschen ist es im Grunde nicht anders. Manche Personen werden wütend, wenn sie sich bedroht fühlen, andere sind eingeschüchtert und wollen schnellstmöglich der Situation entkommen.

Wichtig für dich ist es zu wissen, dass Meideverhalten in die andere Richtung kippen, also in aggressives Verhalten umschlagen kann. Das ist der Fall, wenn der Hund mit seinem Flucht- oder Demutsverhalten keinen Erfolg mehr hat und in die Enge getrieben wird. Somit ist es absolut notwendig, dass du die Anzeichen erkennst und diese ernst nimmst.

Nun stellt sich die Frage, woran du siehst, ob dein Hund Meideverhalten zeigt?

Daran erkennst du Meideverhalten

Bestimmt hast du schon einmal eine dieser Situationen erlebt:

  • Du willst deinen Hund bürsten, aber schon beim Anblick der Bürste läuft er weg.
  • Du gehst mit deinem Vierbeiner zum Tierarzt, aber dein Hund möchte die Praxis partout nicht betreten.
  • Du gehst schimpfend auf deinen Hund zu, dabei duckt er sich und dreht sich auf den Rücken.
Ein geduckter, verängstigter Chihuahua vor weißem Hintergrund.
Dieser Hund zeigt ein eingeschüchtertes Verhalten

Dies sind nur drei Beispiele dafür, wie sich deutliches Meideverhalten ausdrücken kann. Es gibt einen Auslöser, mit dem dein Hund den Kontakt vermeiden möchte, weil er ihn als bedrohlich bzw. unangenehm wahrnimmt. In diesem Fall sind das die Bürste, der Tierarzt und einmal du selbst.

Er zeigt sein Unbehagen dadurch, dass er wegläuft, stehenbleibt und nicht weitergehen möchte oder sich beschwichtigend auf den Rücken dreht.

Manchmal sind die Zeichen dafür, dass dein Hund sich nicht wohl fühlt auch weniger deutlich. Aber auch diese sind wichtig zu erkennen:

  • Dein Hund wendet sich komplett, seinen Kopf oder auch nur seinen Blick von einem Gegenstand oder einer Person ab.
  • Er schleckt sich mit der Zunge über die Lefzen oder gähnt.
  • Er versucht, die Nähe zu einen Gegenstand/einen Ort/einer Person zu vermeiden oder den Abstand zu vergrößern.
  • Er klemmt den Schwanz ein und/oder duckt sich.
  • Er läuft weg oder kommt nicht näher.
  • Er friert ein oder verkriecht sich.
  • Er zeigt Übersprungshandlungen oder Welpenverhalten.

Du merkst wahrscheinlich, dass es bei all diesen Beispielen sehr auf den Kontext ankommt. Nicht jeder Hund, der gerade seinen Kopf wegdreht oder gerade nicht zu dir kommt, zeigt Meideverhalten. Deshalb ist es wichtig, dass du deinen Vierbeiner in unterschiedlichen Situationen genau beobachtest, um sein Verhalten richtig einschätzen zu können.

Diese sogenannte Eskalationsleiter bietet die eine gute Übersicht, um das Verhalten deines Hundes einordnen zu können.

Infografik zur Eskalationsleiter beim Hund mit Meideverhalten, Konfliktzeichen, Aggressionsanzeichen

Hinweis: Diese Leiter dient lediglich als Orientierung. Letztendlich ist das Verhalten eines Hundes genauso individuell wie das eines Menschen. Es kann sein, dass ein Vierbeiner eine dieser Stufen überspringt oder sein Verhalten im Bruchteil einer Sekunde umschlägt.

In dem Artikel über das Konfliktverhalten von Hunden kannst du ausführlich nachlesen, was die vier F Flirt, Flight, Freeze, Fight bedeuten.

Was Hundeerziehung über Meideverhalten anrichten kann

Nicht nur im Alltag, sondern vor allem auch bei der Hundeerziehung spielt das Wissen um das Meideverhalten eine wichtige Rolle. So ist es in manchen Erziehungsmethoden üblich, dem Hund darüber etwas beizubringen, zum Beispiel über Leinenruck, die Arbeit mit Rappeldosen oder Sprayhalsbändern.

Sie alle sollen dafür sorgen, dass der Hund ein Verhalten unterlässt, indem ihm Angst gemacht oder ihm Schmerzen zugefügt werden. Nichts anderes passiert nämlich, wenn du eine Rappeldose nach deinem Vierbeiner wirfst, du an der Leine ruckst oder ihn mit einem Sprühstoß erschrickst. Wie stark die Reaktion beim Hund ist, hängt auch hier von seinen Erfahrungen und seiner Persönlichkeit ab. Ein souveräner Vierbeiner wird sich durch eine Rappeldose vielleicht nicht beeindrucken lassen. Für einen anderen, der sehr ängstlich ist, kann dies eine schlimme Erfahrung sein. Es ist verständlich, dass er diese zukünftig vermeiden möchte und deshalb ein bestimmtes Verhalten nicht mehr zeigt.

Ein Boxer schaut aufmerksam auf den erhobenen Zeigefinger seines Herrchen
Auch eine bedrohliche Körpersprache kann Meideverhalten auslösen

Was bedeutet dies jedoch für deinen Hund?

Deinen Vierbeiner darüber zu erziehen, ihn einzuschüchtern, ihm Angst zu machen oder ihm körperlich etwas Unangenehmes zuzufügen, bedeutet für ihn Stress. Stell dir vor, du müsstest bei einem falschen Verhalten eine solche Konsequenz erwarten: wie würdest du dich fühlen? Vor allem, wenn du vielleicht noch nicht einmal weißt, was du stattdessen tun sollst.

Indem du deinen Hund über Meideverhalten trainierst, schädigst du also eure Beziehung. Diese sollte auf Vertrauen basieren, nicht auf bewusst zugefügter Angst oder anderen unangenehmen Dingen. Dein Hund sollte sich in deiner Nähe immer sicher und nicht durch dich bedroht fühlen.

Der richtige Umgang mit Meideverhalten

Lass mich noch einmal aufgreifen, was ich oben über das Meideverhalten gesagt habe: Dein Hund will etwas entgehen, was für ihn unangenehm ist. Er möchte fliehen, sich verkriechen oder anderweitig Schutz suchen. Wenn all das nicht möglich ist, kann sein Verhalten ins Gegenteil umschwenken. Es kann passieren, dass er angreift und sich wehrt, wenn er mit dem Meideverhalten keinen Erfolg hat.

Deshalb ist es so wichtig, dass du es nicht nur erkennst, sondern auch angemessen darauf reagierst. Dazu zählt in erster Linie, dass du keine Trainingsmethoden anwendest, die darauf basieren, den Hund einzuschüchtern.

Ein Welpe sitzt und legt seine Pfote in die Hand eines Menschen
Hundeerziehung sollte auf Vertrauen basieren

Dennoch wird es Momente geben, in denen dein Hund Meideverhalten zeigt. Schließlich ist nicht immer alles nur schön in seinem Leben. Spätestens beim Tierarzt kommen viele Vierbeiner in eine Situation, die für sie schmerzhaft oder unangenehm ist.

Deine Aufgabe sollte es sein, ihm zu helfen, solche Situationen zu meistern und zwar, indem du sie mit ihm übst. Du kannst zum Beispiel gezieltes Tierarzttraining mit ihm machen, damit er das Anfassen von Fremden als etwas Positives kennenlernt.

Wie du jeweils auf Meideverhalten deines Hundes reagiert, hängt von zahlreichen Faktoren ab.

  • Um welchen Auslöser handelt es sich?
  • Wie groß ist der Stress deines Hundes? Ist er in Panik oder noch ansprechbar und lernfähig?
  • Wie kannst du ihm helfen? Kannst du einen anderen Weg wählen, die Bedrohung entfernen oder ihm Schutz bieten?

Denke immer daran, dass dein Vierbeiner durch Meideverhalten anzeigt, dass ihm etwas unangenehm ist. Frage dich, wie du es für ihn angenehmer machen oder ihn daran gewöhnen kannst.

Lass mich das am Bürsten verdeutlichen: Wenn dein Hund schon beim Anblick der Bürste wegläuft, kannst du ihn in kleinen Schritten positiv damit vertraut machen. Du lobst ihn, wenn er die Bürste anschaut und näherst dich ihm damit in Minischritten. Jede kleine Annäherung wird mit etwas Positivem verknüpft, zum Beispiel einem Leckerli. Anstatt ihn zu zwingen, sich bürsten zu lassen, braucht diese Variante mehr Geduld. Dafür wirst du mit einem Hund belohnt, der sich gerne bürsten lässt oder zumindest davor nicht mehr weglaufen will.

Eine Pfütze auf dem Boden und daneben ein schuldbewusster Hund
Auch Schimpfen kann zu Meideverhalten führen

Wichtig zu wissen:
Je genauer du erkennst, dass dein Hund Meideverhalten oder Unsicherheit zeigst, umso besser kannst du eingreifen und ihm helfen. Damit bestärkst du ihn in seinem Verhalten und trägst dazu bei, dass er auch zukünftig beschwichtigendes bzw. Meideverhalten zeigt.

Wenn du das Meideverhalten deines Hundes jedoch ständig ignorierst oder dich darüber hinweg setzt, kann dies dazu führen, dass er zukünftig nicht mehr meidet, sondern direkt angreift und zum Beispiel zubeißt.

Fazit

Hunde sind Lebewesen mit Emotionen, genau wie du und ich. Sie sind auf unsere Hilfe angewiesen, um sicher durch unseren menschlichen Alltag zu kommen. Einiges davon ist für sie seltsam oder sogar bedrohlich, seien es Gegenstände, Gerüche, Orte oder Personen. Ob du das auch so empfindest, ist dabei unwichtig. Es geht rein um die Wahrnehmung deines Hundes. Um deinem Hund zu helfen, musst du sein Meideverhalten erkennen und ernst nehmen. Schon damit es nicht irgendwann in Aggression umschlägt. Eure Beziehung sollte auf Vertrauen basieren, nicht auf Angst.

 

Bild:

(c) Haustiermagazin.com
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