PTBS-Hunde – die besonderen Assistenzhunde

Kennst du das? Du wachst morgens auf und bist so richtig schlecht drauf. Am liebsten würdest du dir die Bettdecke über den Kopf ziehen und dich verkriechen. Doch da steht dein freudig wedelnder Vierbeiner vor deinem Bett und schaut dich erwartungsvoll an. „Na gut, du musst bestimmt dringend raus!“ seufzt du und kommst in Bewegung. Und nach dem Spaziergang an der klaren Morgenluft ist dein Stimmungstief bereits Geschichte.

Menschen, die an einem Posttraumatischen Belastungssyndrom leiden, haben deutlich heftigere Symptome, als ein schlichtes Stimmungstief. In diesem Artikel erfährst du, was PTBS überhaupt ist und wie Hunde hier als Hilfe bei der Bewältigung des Alltags eingesetzt werden.

PTBS-Hunde ermöglichen einen Alltag

Hunde aktivieren ihre Halter jeden Tag aufs Neue und ihre Bedürfnisse strukturieren unseren Tag. Mit ihnen an unserer Seite fühlen wir uns geschützt und nicht allein. Hunde bringen uns zum Lachen und wir sprechen von Liebe, wenn wir die Beziehung zu unserem vierbeinigen Gefährten beschreiben. Das kennen wir alle. Für seelisch erkrankte Menschen aber können diese Punkte eine ganz wichtige Hilfe hin zu einem einigermaßen normalen Alltagsleben sein. PTBS-Hunde werden als Assistenzhunde ganz genau darauf trainiert, die Bedürfnisse ihrer Halter zu erfüllen.

Was ist PTBS?

PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) ist die Reaktion der Psyche auf Situationen, die für uns nicht aushaltbar sind. “ (Quelle: Assistenzhunde NRW)

Diese Störung kann nach einem heftigen traumatischen Erleben wie Missbrauch, Krieg, Folter, Naturkatastrophen, Unfall, Entführung u. v. m. entstehen. Sie kann vielfältige Symptome aufweisen, die die Betroffenen im Alltagsleben stark einschränken. Die Traumatisierten haben in der Regel die Erfahrung gemacht, von einem Ereignis sozusagen überrollt und diesem völlig hilflos ausgeliefert gewesen zu sein. Ihr Vertrauen in die Welt, in das Leben und auch in sich selbst als erfolgreich handelnde Personen wurde dabei sehr häufig zerstört.

Kleines Mädchen mit blauem Auge hockt angstvoll auf dem Boden
Gewalt kann eine Seele zerbrechen – manche Menschen leiden lebenslang unter den Folgen]

Die Symptome bilden sich manchmal erst Wochen oder Monate nach dem Ereignis aus und sind bei jedem Menschen verschieden ausgeprägt. Häufige Symptome sind jedoch u. a.:

  • Depressionen
  • Panikattacken
  • Flashbacks – eine Art Wiedererleben – bei Erinnerung an das Ereignis oder Auslösung durch äußere Einflüsse
  • Verlust des Selbstwertgefühls
  • Alpträume
  • Schreckhaftigkeit
  • Misstrauen
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • Teilnahmslosigkeit (auch emotionale)

Diese Einschränkungen wirken sich normalerweise stark auf das eigene Lebensgefühl und auf die Leistungsfähigkeit in wichtigen Lebensbereichen aus (selbstständige Lebensführung, Arbeit, soziales Miteinander u. a.). Eine frühzeitige psychotherapeutische Behandlung verbessert die Chancen, wieder frei von den Einschränkungen zu werden. Leichter haben es bei der Gesundung in der Regel die Menschen, die ein einmaliges Trauma erlitten haben, beispielsweise ein Unfall, gegenüber denen, die langjährige, immer wiederkehrende Erfahrungen machten, wie z. B. sexuellen Missbrauch in der Kindheit oder Folter.

Wie helfen dabei Hunde?

Hunde können niemals eine Psychotherapie ersetzen. Sie sind aber eine gute Ergänzung, um ihrem Menschen Sicherheit, Halt, praktische Hilfen und ein Stück emotionales Erleben und Lebensfreude zu geben. Damit steigern sie die Lebensqualität ihres Menschen erheblich. PTBS-Assistenzhunde werden in Deutschland erst seit einigen Jahren gezielt ausgebildet und eingesetzt. Entwickelt wurde diese Art der tierischen Unterstützung ursprünglich in den USA für Kriegsveteranen.

Aufgaben von PTBS-Hunden sind zum Beispiel:

  • ihren Halter aus Alpträumen zu wecken und das Licht anzumachen, ihn zu trösten
  • außerhalb der eigenen vier Wände eine Barriere gegen Fremde zu bieten oder deren Annäherung anzuzeigen (durch Verbellen, Körpersignale, Dazwischenstellen)
  • Flashbacks ihres Halters zu erkennen (an verändertem Körpergeruch, Atmung, Zittern, Erstarrung) und z. B. durch Anstupsen zu unterbrechen
  • durch ihre pure Nähe oder auch ihr Körpergewicht zu beruhigen
  • an Medikamente zu erinnern
  • eine Notfall-Tasche zu bringen
  • Räume abzusuchen, bevor der Halter sie betritt
Brauner Pitbull mit „Service-Dog“-Weste sitzt vor weißem Hintergrund
PTBS-Hunde können eine Vielzahl von Aufgaben für ihre Menschen übernehmen.]

Mit ihren feinen Antennen sowie durch das enge und vertrauensvolle ständige Miteinander erkennen PTBS-Hunde einen veränderten Zustand ihres Menschen häufig, noch bevor bei diesem eine Notlage ausgelöst wurde. Dann ist es diesem noch möglich zu handeln und beispielsweise ein Medikament einzunehmen oder sich in eine sichere, beruhigende Position zu begeben. Aber selbst, wenn ein Hundehalter zum Beispiel in ein Flashback mit Panikzustand und kompletter Desorientiertheit gerät, ist der Assistenzhund aufmerksam und entscheidungsfreudig genug, um seinen Menschen aus diesem Zustand wieder herauszuleiten. Er führt ihn z. B. sicher durch eine Menschenmenge, sucht einen Ausgang und einen ruhigen Ort, an dem sich der Hundehalter wieder erholen kann. Nur mit dieser Gewissheit im Hinterkopf gelingt es manchen Betroffenen, überhaupt das Haus zu verlassen und sich unter Menschen zu wagen.

Wie wird aus einem Hund ein PTBS-Hund? Was kostet die Ausbildung?

PTBS-Hunde haben eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Sie müssen daher beste Anlagen mitbringen und eine gründliche Ausbildung absolvieren. Es kommen nur Welpen von körperlich gesunden und psychisch stabilen Elterntieren für eine Ausbildung infrage. Generell gibt es keine feststehenden Kriterien für geeignete Rassen. Ein mittelgroßer bis großer Körperbau ist jedoch häufig von Vorteil, wenn es um Führung oder auch das Gefühl von Schutz und Sicherheit geht, das ein Betroffener benötigt. Wie in vielen Arbeitsbereichen sind auch hier die Retrieverrassen ganz vorne mit dabei. Ihr ausgeglichenes Wesen und ihre Fähigkeit, eng mit dem Menschen zusammenzuarbeiten und genau auf ihn einzugehen, befähigt sie dafür.

PTBS-Hunde müssen ausgesprochen sensibel gegenüber ihrem Halter sein, aber auch unerschrocken und ruhig. Im Notfall müssen sie außerdem selbstständig Entscheidungen treffen können. Durchsetzungsvermögen und ein ausgeprägter Orientierungssinn sind ebenfalls wichtig, um ihren (womöglich gerade handlungsunfähigen) Menschen aus Notsituationen sicher herausführen zu können. Der Hund sollte keine Aggressionen aufweisen, im Gegenteil, Freundlichkeit und ein offenes Zugehen auf Neues sind wünschenswert. Auch der Jagdtrieb sollte nicht hoch sein, denn das könnte im Alltagsleben Schwierigkeiten bereiten.

Hunde sitzen in einer Reihe im Schnee vor ihren Herrchen und Frauchen
Verschiedenste Hundetypen und -rassen können sich für den Einsatz eignen. Es kommt immer auf die speziellen Bedürfnisse des Halters an.

Experten begutachten schon im frühen Welpenalter, ob ein Hundebaby dafür geeignet ist, als PTBS-Profi Karriere zu machen. Wenn das vielversprechende Hundekind alt genug ist, um seine Mutter zu verlassen, zieht es entweder direkt in die Familie seines neuen Menschen oder zu einem Trainer / in ein Ausbildungszentrum. Die Selbst- oder Fremdausbildung entscheidet auch, wie hoch die Kosten für den tierischen Helfer sein werden. Ein komplett durch Profis fremdausgebildeter Hund kann leicht 20.000-30.000 EUR kosten. Bei der Selbstausbildung in Zusammenarbeit mit spezialisierten Trainern wird es preiswerter. Die Krankenkassen übernehmen bislang außer für Blindenführhunde die Kosten für Assistenzhunde nicht grundsätzlich. Der sogenannte Assistenznehmer muss dafür normalerweise selber aufkommen. Eventuell kann er versuchen, über eine Einzelfallprüfung der Krankenkasse an einen vierbeinigen Helfer zu gelangen.

Zunächst durchläuft nun der junge Hund eine gründliche Basisausbildung mit allen üblichen Lektionen. Anschließend erfolgt eine spezialisierte Ausbildung auf die jeweiligen Bedürfnisse seines Halters. Ein weiterer Vorteil der Selbstausbildung ist neben den geringeren Kosten, dass Hund und Halter direkt als Team zusammenwachsen und von Anfang an eine enge Bindung aufbauen können.

Zwischen 18 und 24 Monate kann die gesamte Ausbildung dauern, die mit einer Prüfung abschließt. Der Titel „geprüfter Assistenzhund“ ist die Belohnung für fleißiges Arbeiten. Der Prüfling erhält seine Assistenzhundeweste, die ihn künftig in der Öffentlichkeit als Hund im Einsatz ausweist. Zutritt zu verschiedenen öffentlichen Gebäuden sowie eine kostenlose Beförderung in öffentlichen Verkehrsmitteln sind damit vielerorts geregelt. Manche Gemeinden erlassen für geprüfte Assistenzhunde die Hundesteuer. Nach zwei und vier Jahren wird der Hund nachgeprüft. Besteht er die Prüfungen, darf er nach der zweiten Nachprüfung seinen Titel für immer behalten. Was bei so einer Prüfung alles wichtig sein kann, kannst du hier in diesem interessanten Bericht lesen.

Collie mit Packtaschen und Behinderten-Begleithund-Logo steht neben Menschen auf Gras
Noch gibt es in Deutschland keine einheitlich geregelte Ausbildung und Prüfung für Assistenzhunde.

Welche Voraussetzungen gibt es?

Genauso, wie der PTBS-Hund einige Voraussetzungen erfüllen muss, um in diesem Job arbeiten zu können, muss der zukünftige Hundehalter dies auch. Sein Krankheitsbild muss dem einer komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung entsprechen und psychotherapeutisch behandelt werden. Der Hund als einzige Hilfe reicht nicht! Symptome der Erkrankung schränken den Betroffenen im Alltag und seiner Lebensgestaltung ein und er verspricht sich durch den Einsatz eines Hundes eine Verbesserung. Im Notfall muss die Versorgung des Hundes gesichert sein, also wenn es dem Betroffenen so schlecht geht, dass er es nicht selber kann oder er sich im Krankenhaus befindet.

Fazit

Der PTBS-Hund ist eine Untergruppe der Assistenzhunde für seelisch erkrankte Menschen. Mit seiner Hilfe wird es für Betroffene mitunter erst möglich, ein einigermaßen selbstständiges Leben mit einer zufriedenstellenden Lebensqualität zu führen. Bei aller Unterstützung, die so ein Hund seinem Halter bieten kann, dürfen aber auch die Bedürfnisse des Tieres nicht zu kurz kommen. Ruhe-, Spiel- und Gassi-Zeiten benötigt er ebenso wie Hunde ohne Job. Und für den Fall, dass es seinem Menschen mal ganz schlecht geht, muss seine Versorgung durch Dritte sichergestellt sein. Wenn dich das Thema näher interessiert kannst du unter diesem Link einen sehr anschaulichen Bericht einer Besitzerin eines PTBS-Assistenzhundes lesen.

 

Hast du Erfahrungen mit der Wirkung von Hunden auf seelisch erkrankte Menschen?

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Bild:

(c) Belish - depositphotos.com

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